Thomas Koch ist Deutschlands „Mr. Media“. Über ein halbes Jahrhundert begleitet, begutachtet und bewegt er inzwischen die Medien- und Marketingwelt. Der leidenschaftliche Werber ist stets am Puls der Zeit und gefragter Speaker und Autor, wenn es um Meinungen, Sorgen und Hoffnungen in der Branche geht. Wir schätzen uns glücklich, dass sich Mr. Media nach 2019 wieder bei uns zum Interview eingefunden hat.
 
Eine Kaffetasse wie gemacht für spannende Interviews mit Thomas

Airmotion Media: Hallo Thomas, große Klasse, dass Du Dir wieder Zeit für uns nimmst. 2023 stand im Zeichen sehr niedriger Marketingbudgets. Nur dank des guten Dezembers drehte der Werbemarkt gerade noch ins Plus. Welche Chancen und Risiken stecken in diesem noch jungen Jahr?

Thomas Koch: Unsere Medien stecken inmitten ihrer Transformation. Die Situation könnte spannender nicht sein. Print verliert, stirbt aber nicht. TV verliert, liefert aber dennoch hohe Reichweiten und den höchsten ROI. Die Erweiterung von OOH um DOOH hat einen regelrechten Außenwerbe-Boom ausgelöst. Onlinemedien stärken vor allem das Ende des Marketing-Funnels auf nie dagewesene Weise.
 

Das klingt relativ optimistisch.

Relativ. Denn wenn wir diese faszinierende Medienwelt erhalten wollen, müssen wir den Einfluss der Online- und Social-Media-Plattformen, die unsere nationalen Medien und deren Bedeutung für die Demokratie gefährden, begrenzen. Wir müssen damit auch verhindern, dass sich unsere Medien im Wettbewerb gegenseitig zerfleischen. Dass Media-Entscheider in Unternehmen und Agenturen hierfür eine Verantwortung tragen, ist ihnen neu und muss gelernt und umgesetzt werden. Dann erst reden wir über Chancen statt über Risiken.
 

„Wenn wir diese faszinierende Medienwelt erhalten wollen,
müssen wir den Einfluss der Online- und Social-Media-Plattformen begrenzen.“

 
Du wirst regelmäßig nach dem medialen Königsweg für Werbetreibende gefragt. In einer Deiner jüngsten Veröffentlichungen „Media leicht gemacht“ nennst Du einige sinnvolle Kombinationen. Wie setzt sich aktuell der ideale Marketing-Mix zusammen?

Gäbe es den einen idealen Mix, würden ihn alle einsetzen und die Wirkung wäre dahin. Der wirksamste, individuelle Media-Mix besteht aus mehreren, verschiedenen Medien, die sich gut ergänzen, sei es zur Ansprache der Zielgruppe oder zum Transport der Botschaft. Nur mehrere Medien im Mix erzeugen die unverzichtbare, hohe Reichweite. Das gilt für B2C ebenso wie für B2B. Wenn ich erkenne, dass Wettbewerber eine unterlegene Reichweite produzieren, kann ich sie somit leicht besiegen. Mit einem Medium wie z.B. DOOH im Mix kann ich durch das Ausnutzen bestimmter Situationen obendrein die Relevanz meiner Botschaft spürbar steigern.
 

„Nur mehrere Medien im Mix erzeugen die unverzichtbare, hohe Reichweite.“

 
Bei unserer Interview-Premiere meintest Du, Content Marketing sei wie geschaffen für PR-Agenturen und eine selbstverständliche Ergänzung ihres Portfolios. Ist Content Marketing inzwischen selbstverständlich?

Das ist eine kniffelige Frage, weil Content Marketing nicht immer ausdrücklich „Content Marketing“ heißt. Ein Unternehmen, das die Geschichte der eigenen Marke heranzieht, um z.B. Tradition zu vermitteln (Beispiel: Mercedes), arbeitet mit Content. Das Faszinierende daran ist, dass jede Marke spannenden Content besitzt, der noch ungehoben und ungenutzt ist, aber für die Zielgruppe höchst relevant sein kann. Interesse und Relevanz steuern nun einmal die Aufmerksamkeit und Content ist ein wertvoller Trigger und Träger dafür.
 

Wir bei Airmotion Media sprechen uns aus für Qualitätscontent, Native Advertising im Allgemeinen und Advertorials im Speziellen. Wie stehen diese Begriffe in Deiner Gunst? Was sind ihre Stärken und vielleicht auch Schwächen?

Ebenso wie man nicht nicht kommunizieren kann (Paul Watzlawick), kann man nicht ohne Content kommunizieren. Angesichts des News-, Post- und Medien-Mülls, den unsere Zielgruppen tagtäglich ertragen müssen, ist Qualität eine Grundbedingung für erfolgreiche Kampagnen. Native und Advertorials sind erfolgversprechende Wege durch die Unmenge an irrelevanter Werbung, vor allem in den digitalen und sozialen Medien. Man kann den Wert nativer Werbung daher nicht hoch genug einschätzen.
 

„Man kann den Wert nativer Werbung nicht hoch genug einschätzen.“

 
Wenn Google es wie angekündigt schafft, wird das Jahr 2024 für das finale Aus der Drittanbieter-Cookies stehen. Wie und womit wird das digitale Marketing in der Post-Cookie-Ära erfolgreich (an der Zielgruppe dran) sein?

Die Branche hat das lange bekannte Thema erstaunlich lange ausgeblendet und jetzt stehen viele ohne klare Lösung da. Die Lösung ist eine Mischung aus Lösungen: Natürlich Native und Advertorials, aber auch Contextual Targeting, Choice-Driven-Advertising, Retail Media u.v.a.m. Dieser Mix aus Maßnahmen wird – wie in der realen Media-Welt – zu einer höheren Wirkung führen als zuvor (warum sind wir da nicht früher draufgekommen?). Hauptsache ist, wir hören endlich auf, unsere Zielgruppenmenschen auszuspionieren.
 

Um es zur Abwechslung mal mit unserer Münchner Mundart zu umschreiben: Am Schlagwort Künstliche Intelligenz wurde inzwischen schon so viel „herumgezuzelt“. Und bis es „ausgezuzelt“ ist, wird gewiss noch sehr viel Zeit vergehen. Daher bitten wir auch Mr. Media um einen Einblick in seine Gedanken zum Thema KI in Medien und Marketing.

Was wir heute erleben, ist Machine Learning und Algorithmen. Die echte KI, vor der uns Stephen Hawking warnte, wird erst noch entwickelt und um 2050 das Licht der Welt erblicken. Wenn wir den heutigen KI-Standard sinnvoll nutzen wollen, sollten wir sie einsetzen, um unsere Zielgruppen besser zu verstehen, unsere Botschaften relevanter zu machen und unwirksame Werbe-Ausspielungen zu unterlassen. Wir könnten uns dann mindestens 40 Prozent der digitalen Werbung sparen und Millionen Tonnen CO2-Emissionen vermeiden. Unsere Zielgruppen und die Umwelt werden es uns danken.
 

„Mit sinnvoll genutzter KI könnten wir uns 40 Prozent der digitalen Werbung sparen.“

 
Apropos Umwelt: Du sprichst Dich sehr für „Green Media“ aus. Für was steht dieser Begriff eigentlich und was hat DOOH damit zu tun?

Green Media ist die bewusste Vermeidung von unnötigem CO2-Ausstoß. Durch geschickte Verlagerungen des Media-Mixes zugunsten umweltfreundlicherer Medien wie Radio, Online oder DOOH lässt sich ohne Verlust an Wirkung und Media-KPIs jede Kampagne öko-effizienter gestalten. Die Werbung ist weltweit für ein Prozent aller Emissionen verantwortlich, die einzig durch Werbung finanzierte digitale Infrastruktur für weitere vier Prozent. Das dürfen wir nicht auf uns sitzen lassen.
 

Welche Rolle sollte dann Green Media künftig spielen? (Warum) sollten Werbetreibende und Werbemacher darauf setzen?

Das ist leicht zu beantworten: Alle müssen im unmittelbaren Einflussbereich einen Anteil zur Erhaltung der Erde leisten. In einer zunehmend unbewohnbaren Welt braucht kein Mensch Marketing oder Werbung. Wir Werber sind die Ersten, die vom Hof gejagt werden. Wollen wir das vermeiden, müssen wir alle unsere Bemühungen zur Rettung des Planeten auf der Stelle sehr deutlich steigern. Das ist alternativlos.
 

„In einer unbewohnbaren Welt braucht kein Mensch Marketing oder Werbung.
Wir sind die Ersten, die vom Hof gejagt werden.“

 
Für ein paar sehr anschauliche Beispiele wie Green Media gelingt, verweisen wir auf Deine W&V-Kolumne.

Gerne, vielen Dank.
 

Was möchtest Du uns und den Kollegen noch abschließend arbeitsmotivierend mit auf den Weg geben?

Marketing, Werbung und Media sind die schönsten Jobs, die man sich vorstellen kann. Denn wir arbeiten mit Menschen für Menschen. Seit Beginn der Mediendigitalisierung haben wir jedoch einiges schleifen lassen, haben AdTech und Bots die Zügel überlassen und unsere Zielgruppen wie noch nie in der Geschichte der Werbung zugemüllt. Wir müssen ihr Vertrauen zurückgewinnen. Lassen wir wieder Menschen an die Macht: Empathie statt DSP. Dann werden unsere Kampagnen wirksamer und unsere Arbeit sinnstiftender.
 

Lieber Thomas, 1000 Dank für die Beantwortung der Fragen!

 
Zur Vita: Thomas

Zur Person:

Thomas „Mr. Media“ Koch ist 72 Jahre alt und seit 52 Jahren im Media-Business. Vierzehn Jahre verbrachte der Mediaplaner in namhaften Werbeagenturen, bis er sich 1987 mit thomaskochmedia (tkm) selbständig machte. 2002 fusionierte Koch seine Agentur mit Starcom zu tkmStarcom und wurde zum CEO der somit siebtgrößten Mediaagentur Deutschlands. 2007 stieg er aus und 2008 in die Geschäftsleitung der unabhängigen Mediaagentur Crossmedia ein. Von 2011 an berät er mit tk-one Unternehmen, Medien und Agenturen.
Capital bezeichnete Thomas Koch 1995 als „Profiliertesten Vordenker der deutschen Werbung“. 2004 nahm ihn Media & Marketing Europe in die Galerie der 15 Personen auf, die die europäische Werbebranche am meisten prägten – zusammen mit Maurice Levy, Rupert Murdoch und Sir Martin Sorrell. 2008 wurde Koch zu Deutschlands Mediapersönlichkeit des Jahres gewählt. Thomas Koch bietet unabhängige Expertise und Beratung in allen Media-Fragen, ist Autor mehrerer Bücher, Podcaster und bekannt für seine Kolumnen (Wirtschaftswoche, W&V).

© Fotos: Thomas Koch/Alexander von Spreti

 

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