Martin Grahl, Mitgründer und -Geschäftsführer der Berliner Agentur Claneo, sprach mit uns über die Gegenwart und Zukunft von SEO und SEA, gerade im Hinblick auf den Einsatz von KI. Was bedeuten GEO und KI-Antworten für die Theorie und Praxis der Online-Werbung – und welches Erfolgspotenzial haben hierbei native Formate wie Advertorials?
 
Martin Grahl, Co-Founder und Geschäftsführer der Claneo GmbH – Airmotion Media

Airmotion Media: Hallo Martin, wie hat sich die SEO-Landschaft in den letzten zwei Jahren gewandelt und welche Entwicklungen waren aus Deiner Sicht die einschneidendsten?

Martin Grahl: Die Einführung von ChatGPT im November 2022 hat die digitale Landschaft tiefgreifend verändert. Google sah sich gezwungen, seine bereits entwickelte KI-Technologie schneller zu veröffentlichen und damit das eigene Geschäftsmodell teilweise zu disruptieren. Dies führte neben dem Launch von Gemini auch zur Einführung von AI Overviews und dem AI Mode. Infolgedessen erhalten viele Nutzer ihre Antworten nun direkt im Chatbot oder in der Google-Suche, was die Klickzahlen auf Webseiten reduziert. Das hat zur Folge, dass SEO als Kanal kostenintensiver wird und informationelle Inhalte eine neue strategische Herangehensweise erfordern.
 

Das Zusammenspiel von SEO und SEA wird häufig diskutiert – wie sollten Unternehmen beide Kanäle heute miteinander verzahnen, um die bestmögliche Sichtbarkeit zu erreichen?

Das ideale Zusammenspiel von SEO und SEA basiert heute auf einer ganzheitlichen Strategie zur Maximierung der Gesamtsichtbarkeit in den Suchergebnissen, anstatt die Kanäle isoliert zu betrachten. Entscheidend ist es, das SEA-Budget strategisch dort einzusetzen, wo organisch noch keine starke Präsenz besteht (sofern kein unbegrenztes Ads Budget vorhanden ist). So werden strategische Lücken geschlossen und die gesamte Reichweite für relevante Suchthemen erhöht, statt dass beide Kanäle um dieselben Keywords konkurrieren und wertvolles Budget kannibalisieren.

Um diese Kannibalisierung zu vermeiden, muss der Google-Traffic genau beobachtet werden. Ein Anstieg des CPC-Traffics bei gleichzeitigem Rückgang des organischen Traffics und stagnierendem Gesamt-Traffic aus Google ist ein klares Warnsignal für ineffizienten Budgeteinsatz. Das Ziel muss immer ein Anstieg der gesamten, inkrementellen Reichweite sein.

Zudem entsteht durch die zunehmende Automatisierung von Google-Ads-Kampagnen eine neue, wichtige Schnittstelle. Da Kampagnen wie Performance Max stark auf den Inhalten von Landingpages und Produktdatenfeeds basieren, wird die „SEO-Brille“ für den SEA-Erfolg unerlässlich. Nur wenn die Bots die Inhalte und Angebote klar verstehen, können die Kampagnen ihre volle Wirkung entfalten.

Beispiel für Google KI-Treffer mit Werbeeinblendungen – Airmotion Media

Und schließlich sollten die Kanäle voneinander lernen: SEO kann von den schnellen Testing-Möglichkeiten im SEA profitieren, um Content-Hypothesen zu validieren. Und gleichzeitig finde ich aus SEO-Perspektive super spannend, wie Google z.B. den AI Mode oder AI Overviews monetarisieren wird, etwa mit Anzeigen unterhalb der KI-generierten Antworten mit „Sponsored“-Label wie hier rechts im Screenshot von „Google Marketing Live 2025“:
 

„Die „SEO-Brille“ ist für den SEA-Erfolg unerlässlich. Nur wenn die Bots die Inhalte und Angebote klar verstehen, können die Kampagnen ihre volle Wirkung entfalten.“

 
Core Web Vitals, E-E-A-T, hilfreiche Inhalte – Google setzt kontinuierlich neue Schwerpunkte. Welche Rankingfaktoren werden Deiner Einschätzung nach in den nächsten Jahren noch wichtiger?

E-E-A-T bleibt auch in Zukunft ein entscheidender Faktor für den SEO-Erfolg, da alle seine Bestandteile – Erfahrung, Expertise, Autorität und Vertrauen – direkt auf den Aufbau einer starken Marke einzahlen.

Hinzu kam in den letzten Jahren auch schon Digital PR als unterstützender Kanal. Eine starke Marke ist sowohl für Suchmaschinen als auch für KI-Chatbots ein wichtiger Faktor, um die Sichtbarkeit zu erhöhen und gleichzeitig unabhängiger von diesen Plattformen zu werden.

Außerdem würde ich zukünftig weiter den Fokus auf die Nutzererfahrung legen: UX, einzigartiger Content sowie Anreicherung um Tools, Videos oder Grafiken. Google berücksichtigt diese Signale stark im Re-Ranking, und eine gute UX beeinflusst die Conversion-Rate positiv.

Und angesichts des sinkenden Traffics durch AI Overviews & Co. wird die Konzentration auf den tatsächlichen Umsatz umso wichtiger. Dies macht die Conversion-Rate-Optimierung zu einer zentralen Disziplin, die unserer Erfahrung nach bisher oft vernachlässigt wurde.
 

KI-Tools wie ChatGPT, Jasper oder Google Gemini revolutionieren die Content-Erstellung. Wie verändert der Einsatz von KI die tägliche Arbeit von SEO-Profis – und wo liegen die Grenzen?

Diese Tools steigern unsere Effizienz erheblich. Das Einsparpotenzial variiert allerdings deutlich je nach Bereich (z. B. PR vs. Redaktion), Textart (Ratgeber vs. Produkttext) und Thema (B2B vs. B2C). Gleichzeitig hängt das Ergebnis stark vom Anspruch des Erstellers ab. Ein Text, der für mich im ersten Moment sehr gut klingt, kann für unser Redaktionsteam, das sich fachlich intensiv mit einem Thema auseinandersetzt, eher mittelmäßig sein.

KI kann hervorragend bei der Ideengenerierung, Recherche, der Erstellung von Entwürfen sowie bei der Qualitätskontrolle und dem Einhalten von Briefings unterstützen. Man kann jedoch nicht erwarten, durch einen fünfminütigen Prompt einen wissenschaftlich fundierten, medizinischen Fachtext zu erhalten. Selbst bei der Nutzung von Assistenten, Workflows oder Agenten bleibt ein nicht zu unterschätzender Aufwand für das Aufsetzen, das Briefing, die Auswahl der richtigen Quellen bzw. die Inputeingabe sowie die finale Kontrolle bestehen.
 

„Man kann nicht erwarten, durch einen fünfminütigen Prompt einen wissenschaftlich fundierten, medizinischen Fachtext zu erhalten.“

 
Viele befürchten, dass KI-generierter Content zu austauschbaren Texten führt. Wie können Unternehmen sicherstellen, dass ihre Inhalte trotz KI-Unterstützung einzigartig und relevant bleiben?

Diese Befürchtung ist berechtigt, denn das Internet wird derzeit mit sehr ähnlichen Inhalten in hoher Geschwindigkeit geflutet. Der Schlüssel zur Einzigartigkeit liegt darin, KI als Werkzeug und nicht als Ersatz für menschliche Expertise zu verstehen. Der reine Output der Sprachmodelle spiegelt größtenteils den bestehenden „Common Sense“ des Internets wieder.

Für Unternehmen ist es daher entscheidend, das einzigartige Wissen zu nutzen, das in ihnen selbst vorhanden ist. Um originelle Inhalte zu schaffen, sollten das Expertenwissen und die Praxiserfahrungen der Mitarbeiter in die Content-Produktion einfließen. Gleichzeitig ist es sinnvoll, auf Formate zu setzen, welche die KI nicht allein aus ihren Trainingsdaten erstellen kann. Ich würde beispielsweise weniger auf Glossare setzen und stattdessen Formate wie Tests, Erfahrungsberichte, eigene Datenerhebungen oder unterstützende Tools entwickeln. Bestehende Ratgebertexte sollten zudem stärker mit eigenen Beispielen, Erfahrungen und Learnings angereichert werden, um sich abzuheben und gleichzeitig den E-E-A-T-Kriterien gerecht zu werden.
 

„Der Schlüssel zur Einzigartigkeit liegt darin, KI als Werkzeug und nicht als Ersatz für menschliche Expertise zu verstehen.“

 
Wo bei Claneo setzt Ihr KI-Anwendungen bereits erfolgreich ein – und welche konkret?

Wir setzen KI in allen Abteilungen ein, vom Consulting über Onpage-SEO bis hin zu PR und Redaktion. Dabei muss man festhalten, dass nicht immer klassische KI-Anwendungen die beste Lösung für einen Prozess sind. Oft kommen bei uns auch spezialisierte Workflows, Automatisierungen, eigene Tools oder Excel-Makros zum Einsatz. Beispiele, wo wir KI oder Automatisierungen nutzen, sind:

  • Angebotserstellung
  • Erstellung von Präsentationen
  • Datenaufbereitung und -verarbeitung, z. B. bei Keyword-Strategien
  • Entwicklung von Prompt-Strategien
  • Content-Analysen
  • Datenauswertungen
  • Datenrecherche für Digital-PR-Projekte
  • Erstellung von Grafik-, Video- und Audio-Formaten
  • Entwicklung eigener Tools

Dafür nutzen wir Tools wie Langdock, Knime, N8N, Lovable oder Cursor.
 

Ein recht neuer Begriff in der Branche ist „GEO“ – Generative Engine Optimization. Kannst du uns bitte erklären, was genau dahintersteckt und warum das Thema für Content-Marketer so relevant ist?

GEO zielt darauf ab, die Sichtbarkeit und Darstellung von Unternehmen, Marken und Botschaften innerhalb von KI-Systemen zu verbessern. Unsere eigene „State of Search“-Studie zeigt, dass bereits über 20 Prozent der Deutschen KI-Chatbots für die Informationssuche heranziehen. ChatGPT hatte jetzt im Oktober 2025 schon 800 Millionen wöchentliche aktive Nutzer. Wer in KI-Chatbots oder KI-Suchmaschinen wie Perplexity eine Rolle spielen möchte, sollte sich mit GEO beschäftigen. Für Interessierte haben wir dazu eine Videoserie auf YouTube und veröffentlichen im März 2026 ein GEO-Buch mit dem Rheinwerk Verlag.
 

Du hast es oben bereits als spannendes neues Monetarisierungsfeld erwähnt: Google integriert immer mehr KI-generierte Antworten per AI Mode und AI Overviews direkt in die Suchergebnisse. Wie verändert das die Sichtbarkeit von Websites und welche Strategien empfiehlst Du, um hier präsent zu sein?

Wir beobachten teilweise deutliche Traffic-Rückgänge, insbesondere bei informationellen Inhalten. Die Integration von KI-Antworten verlagert das Ziel von reinen Klicks hin zur Sichtbarkeit innerhalb dieser Antworten. Durch die Zunahme von „Zero-Click Searches“ wird es entscheidend, als vertrauenswürdige Quelle für Erwähnungen („Mentions“) und Zitate („Citations“) in den AI Overviews zu erscheinen.

Die zentrale Strategie besteht darin, thematische Autorität aufzubauen und Inhalte so zu gestalten, dass sie für die KI als beste und verlässlichste Antwort dienen. Es geht also weniger um einzelne Keywords als vielmehr um den Aufbau einer umfassenden, glaubwürdigen Informationsbasis. Um in diesen KI-Antworten präsent zu sein, sind neben einer starken Marke folgende Aspekte entscheidend:

  • Strukturierter Content: Inhalte klar gliedern (H-Tags, Listen, Tabellen) und mit Schema-Markup versehen.
  • Chunks bzw. Semantische Absätze: Präzise Frage-Antwort-Absätze formulieren. Pro Absatz sollte nur ein Thema behandelt werden. Dabei gilt, dass die Absätze nicht zu lang werden und gleichzeitig nicht nur zwei Sätze darstellen.
  • Intent-Abdeckung: Prüfen und Nutzen des Query Fan Outs, um alle Nutzerintentionen abzudecken.
  • Vertrauen (Trust): Glaubwürdigkeit durch Zitate, Quellenangaben und nachweisbare Autoren-Expertise (E-E-A-T) stärken.
  • Multimodale Inhalte: Verschiedene Formate wie Grafiken, Videos und Tools in den Content einbinden.

Außerdem ist die Content-Aktualität ein großer Faktor, der für den Erfolg bei GEO wichtig ist.
 

„Die zentrale Strategie besteht darin, thematische Autorität aufzubauen und Inhalte so zu gestalten,
dass sie für die KI als beste und verlässlichste Antwort dienen.“

 

Native Ads und Advertorials haben sich inzwischen in der Online-Werbung etabliert – nicht zuletzt sind sie ja auch interessant für klassische Suchmaschinen, wenn sie aus vertrauenswürdigen Quellen stammen und ihr Inhalt hochwertig ist. Wie wertvoll sind Advertorials für KI-Systeme?

Hier muss man differenzieren. In der klassischen Google-Suche ranken Advertorials außerhalb von Marken-Suchanfragen oder Nischen-Themen ohne Wettbewerb (noch) nicht ganz sooft in den Top-10-Ergebnissen. Ein als Werbung gekennzeichneter Artikel besitzt bei Menschen in der Regel auch erstmal eine geringere Glaubwürdigkeit als ein rein redaktioneller Beitrag. Je höher die Qualität und Nützlichkeit des Contents sowie die Reputation des Publishers, umso besser.

Und ja, in der Tat werden Advertorials, insbesondere von großen Publishern, häufig von KI-Chatbots wie ChatGPT zitiert. Daher sind Advertorials aktuell ein Format, das wir z.B. im Rahmen von GEO-Offpage-Maßnahmen nutzen, um für wichtige Themen unserer Kunden schnell Sichtbarkeit in KI-Systemen zu erlangen.
 

„Advertorials, insbesondere von großen Publishern, werden häufig von KI-Chatbots wie ChatGPT zitiert.“

 
Strategisch platzierte Advertorials auf relevanten Publisher-Websites, die sowohl klassisch-organische Rankings stärken als auch in KI-generierten Antworten zitiert werden – das hat also Erfolgspotenzial. Hast Du vielleicht ein Beispiel aus Deiner Praxis, wo ein Advertorial ganz oben mitspielt.

Ja, das kann funktionieren. Ein gutes Beispiel ist das Thema „Haftpflichtversicherung“. Hier zeigt sich, dass ein Advertorial von einem großen Publisher als eine der Hauptquellen für die von ChatGPT generierte Antwort herangezogen wird. Dies demonstriert, wie solche Inhalte die Sichtbarkeit in KI-Systemen direkt beeinflussen können:

Beispiel für ein Advertorial als eine der Hauptquellen einer ChatGPT-Antwort – Airmotion Media
[Screenshot-Quellen: Bild.de, Peec AI]
 

Abschließend: Wie denkst Du wird sich die Online-Suche in den nächsten drei bis fünf Jahren entwickeln? Welche Tipps würdest Du diesbezüglich Unternehmen für ihre Content- und SEO/GEO-Strategie mit auf den Weg geben?

Eine Prognose über einen so langen Zeitraum ist bei der aktuellen Entwicklungsgeschwindigkeit schwierig. Sicherlich wird das Thema „Agenten-KI“ weiter voranschreiten, und Plattformen wie ChatGPT werden ihre transaktionalen Fähigkeiten durch App-Integrationen rasant ausbauen. Meiner Meinung nach wird Google jedoch die führende Plattform bleiben, da sie durch den AI Mode nun auch Nutzer direkt in der Suche mit KI erreichen, die nicht zu den Early Adoptern gehören.

Für die strategische Ausrichtung würde ich Unternehmen raten, genau zu analysieren, auf welchen Plattformen ihre Zielgruppe unterwegs ist. Traffic-Verluste durch AI Overviews sollten idealerweise durch eine plattformübergreifende Content-Strategie ausgeglichen werden. Das bedeutet, wenn ein Ratgebertext für die Webseite erstellt wird, sollten die Inhalte auch für den Newsletter, ein YouTube-Video und andere Social-Media-Kanäle aufbereitet werden.

Gleichzeitig sollten Unternehmen im Bereich GEO analysieren, ob bereits Umsätze über KI-Chatbots erzielt werden, wie ihre Marke dort wahrgenommen wird und wie sichtbar sie für ihre wichtigsten Themen sind. Davon abhängig wäre für mich, ob und in welchem Maße, Budget in GEO investiert werden sollte
 

Lieber Martin, vielen Dank für Deine Zeit und die sehr hilfreichen Antworten!

 
Zur Vita: Martin Grahl im Meeting – Airmotion Media

Zur Person:

Martin Grahl ist einer der Gründer und Geschäftsführer der Claneo GmbH, einer internationalen SEO- und Content-Marketing-Agentur mit über 80 Mitarbeitern. Mit seiner Expertise berät er nicht nur Start-ups, KMUs und Konzerne, sondern spricht auch auf Konferenzen und schreibt für Fachzeitschriften wie Website Boosting und t3n.
Außerdem beschäftigt er sich als lizenzierter Trainer für das STRUCTOGRAM® Trainings-System und Master of Modern Leadership (TAM Akademie) neben der Weiterentwicklung der Dienstleistungen damit, die Führungskräfte des Unternehmens zu fördern und die Unternehmenskultur aufrechtzuerhalten.

 
 

© Fotos von Martin Grahl: Claneo

 

Mit Qualitätsinhalten und starken Publishern erfolgreich in die KI-Antworten: